Tanners Interview mit Anke Gesell: Gegenseitiges Wohlwollen und Respekt

Volly Tanner

19.02.2012

 

Anke Gesell: Künstlerin in Leipzig.

Bild: Volly Tanner

Ist das schon Kunst oder kann das hier weg? Auch dieser, mittlerweile ins Volksbrauchtum übernommene Satz, zeugt vom Spagat zwischen Kunstschaffenden und Mit-Kunst-Beschütteten. Doch einige Künstler beherrschen die Kunst zu senden und ihre Sendungen auch noch mit Sinnhaftigkeit zu beladen, wirklich gut. Anke Gesell, HGB-Absolventin und mittlerweile am Markt erfolgreich, stellt sich Tanners Fragen nach dem warum.

 

 

2008 hast du die HGB abgeschlossen. Also nicht die Türen des hohen Hauses, sondern deine Ausbildung. Wie siehts aus im wahren Leben?

(Lächelt) Nun, das wahre Leben? Im Herbst musste ich lachend feststellen, dass ich arbeiten gehe und dafür bezahle, während man im Allgemeinen arbeiten geht und dafür bezahlt wird. Aber gut, dafür macht mir meine Arbeit Spaß und im Allgemeinen soll das ja leider nach wie vor nicht so sein. Und das, was Spaß macht, ist unbezahlbar, oder?

Hat dich die HGB genug auf den Markt vorbereitet?

Nein, auf den so genannten Markt hat mich keiner vorbereitet. Es hat mich auch nicht sonderlich interessiert, ich wollte einfach nur meine Art des Bildermachens herausfinden. So richtig freigemalt habe ich mich dann allerdings erst nach dem Diplom.

Von außen wird die HGB scheinbar hauptsächlich als Marktschmiede wahrgenommen. Innen ist den meisten klar, dass das nur sehr wenige sind, die in den "Markt“ einschwingen. Die Meisten wollen einfach ihrem unbändigen Drang nach "sich ausdrücken wollen“, "Freiheit“ nachgehen. Wo auch immer das hingeht. Und für die Meisten springen keine marktkonformen Lorbeeren heraus...

 

 

Anke Gesell.

Bild: Volly Tanner

Davor hast du dich auch zur Krankenschwester und zur Pädagogin ausbilden lassen. Hilft das im Umgang mit Kunstinteressierten? Zum Beispiel bei der Beatmung der Konsumisten nach Einlesung der Preise von HGB-Kunst...

(Lacht) Was für eine schräge Frage! Ich hab mich ja nicht zur Krankenschwester/ Pädagogin ausbilden lassen, um einen ausgefeilteren Umgang mit Kunstinteressierten zu erlernen. Damals stand unter der Wende ganz anderes in meinem Focus. Meine Lust am Malen habe ich mir damals ausgetrieben unter dem Diktat des Geldverdienens. Wobei mir meine lange Arbeit als Krankenschwester allerdings sehr geholfen hat - mit der Erkenntnis, dass Menschen nur miteinander Frieden finden werden und ein gegenseitiges sich "Behacken“ nur zu widerlichen Hackwunden führt. Zu den Preisen von HGB-Kunst oder Kunstpreisen im Allgemeinen – jeder Künstler - bildende wie darstellende - ist letztendlich auch nur ein Mensch, der von seiner Hände Arbeit leben möchte und auch gern irgendwann einmal ohne mehrere Nebenjobs über dem H4-Niveau ankommen möchte. Das ist doch legitim, oder?

Im Vorgespräch sagtest du, dass du dich weiter in Richtung Zeichnerei orientieren möchtest. Wieso das denn? Und wohin genau? Zeichnung ist ein breites Feld...

Warum nicht? Ich esse ja auch nicht nur Nudeln mein Leben lang... es macht mir einfach Spaß! Letztes Jahr war ich auf einem Auslandsaufenthalt fotografisch unterwegs und wollte nebenbei zeichnen. Den Ölmalereikram kann man schlecht auf eine lange Reise mitnehmen. Und dort hat sich das Zeichnen wunderbarerweise von selbst entwickelt. Es war eine Überraschung! Ich lasse mich in meiner Kunst von dem leiten, was mir Freude macht und mir persönlich einen Sinn gibt. Daher weiß ich auch nicht, wohin die Reise mit der Zeichnerei geht. Ich entdecke sie ja gerade erst und lasse mich genussvoll treiben! Mal sehen, was kommt...

Wenn man deine Ausstellungs-Vita liest, wird man fast erschlagen. Wo hängt aber demnächst etwas Anke Gesell? Irgendwo in der Nähe?

Das mit dem Erschlagen tut mir leid, das war nicht der Plan. Ich stelle einfach gern aus und freue mich über Resonanz. Ist ja auch blöd, wenn die Bilder im Atelier herumschimmeln... und mir den Platz wegnehmen. Für dieses Jahr sind die Pläne noch offen. Man kann mich aber natürlich jederzeit im Atelier besuchen oder sich auf meiner Webseite tummeln.

Kunst an sich. Hast du eine Definition? Was ist Kunst? Was soll Kunst sein? Und ganz besonders, hat Kunst überhaupt einen Sinn?

Das mit dem Definieren ist so eine heikle Sache. Mir kommt da immer die Heisenbergsche Unschärferelation in die Quere. Je genauer ich etwas zu definieren suche, desto mehr muss ich meinen Blick verengen und damit wird die Sache für mich enorm ungenau. Was für den einen Kunst ist - ist für den anderen der totale Quatsch und umgedreht. Für mich ist Kunst die Möglichkeit, mich auszudrücken und in meiner mir ureigenen Form etwas zu erschaffen. Und genau das fasziniert mich auch an der Kunst anderer, egal ob bildende oder darstellende Kunst. Es geht immer um das tiefe innere Selbst des Anderen, das mich da anschaut, wie seltsam das einem auch erscheinen mag. Ob das einen Sinn hat? Ich weiß nicht, vielleicht genau diesen...

Wenn du, als Malerin und Beobachterin, die Möglichkeit hättest, die optimale Welt zu bauen. Wie sähe diese Welt aus?


(Lacht) Nun, du würdest mich wohl nicht mehr nach der Beatmungstechnik für Kunstinteressierte befragen..., oder dich von meiner Vita erschlagen lassen... Weil so etwas nicht mehr wichtig wäre im Vergleich zu anderen. Jeder Mensch hätte die Möglichkeit, sein Leben so zu leben, wie er es gern möchte. Jedem Menschen würden die gleichen Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben zukommen. Der Wert eines Menschen würde sich einfach aus seinem Dasein ergeben. Unser Umgang miteinander würde sich aus gegenseitigen Wohlwollen und Respekt erzeugen und Freude am Sein wäre normal. Dinge wie Armut, Krieg und Fremdbestimmung wären einfach nicht mehr als gesellschaftliche Fakten akzeptiert und würden gemeinsam zur Auflösung gebracht werden. Das wär doch mal was, oder?

Oh ja, liebe Anke. Danke für das Gespräch.